Kleingärten: nachhaltige Stadtentwicklung muss grün sein
Ausreichend Grün ist entscheidend für die Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden. Nur dann sind die Voraussetzungen gegeben, dass sich eine Gemeinde, eine Stadt oder eine Region als attraktiver Lebens-, Wirtschafts-, Erholungs- und Kulturraum für die heutige sowie für nachfolgende Generationen entwickeln kann. Um die Lebensqualität in verdichteten Strukturen zu erhöhen, müssen diese durchgrünt sein bzw. werden.
Kleingärten ermöglichten Stadtmenschen schon vor 200 Jahren die Produktion von Lebensmitteln, boten Zugang zur Natur, Erholung im Alltag und wecken heute darüber hinaus die Begeisterung für den Naturschutz. Die Gemeinschaft der Kleingärtner passt sich seit ihrer Entstehung aus verschiedenen Ursprüngen stets den sich ändernden gesellschaftliche Bedingungen an. Sie zeigt sich offen für neue Einflüsse und Herausforderungen, ohne dabei schnelllebigen Modeerscheinungen hinterher zu hecheln: Stand zu Beginn hauptsächlich die Produktion von Lebensmitteln, um das Auskommen der Familien zu sichern, im Mittelpunkt der Bemühungen, so kam schon bald darauf die Suche nach mehr Natur, nach Licht und Luft und Grün als Motivation hinzu.
Wo in früheren Zeiten Höchsterträge das Ziel der Kleingärtner waren, steht heute die Qualität der produzierten Lebensmittel, die Freude am Gärtnern, und die Erholung im Grünen im Mittelpunkt. Dabei machte und macht das beispielhafte Ausbildungswesen – in Form der Fachberatung – die Gartenfreunde fast zwangsläufig zur gesellschaftlichen Avantgarde, die schon lange auf Nachhaltigkeit setzt. Denn gerade gut ausgebildete Kleingärtner wissen: Wer gesunde Lebensmittel ernten will, muss nachhaltig wirtschaften. Der im Verein und im Verband gut ausgebildete und ökologisch sensibilisierte Gärtner wird also immer auch den Begriff der Nachhaltigkeit ins Zentrum seines Tuns rücken. Kleingärten werden auch zukünftig die nachhaltigste und zugleich bewährteste Form des Urban Gardening darstellen.
Kleingärtnerinnen und Kleingärtner stellen sich schon seit langer Zeit erfolgreich den ökologischen Herausforderungen in Städten und Gemeinden. Sie bewahren und entwickeln seit Jahrzehnten das Wissen um naturgemäßes Gärtnern. Mit der zunehmenden Dominanz einer immer großflächigeren Agrarindustrie, die auf Höchsterträge und Monokultur getrimmt wird, gehören Kleingärtnervereine zu den seltenen Refugien, in denen die Kulturtechnik des naturnahen Gärtnerns bewahrt und an nachfolgende Generationen weiter gegeben wird.
Kleingärten sind darüber hinaus unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Stadt: Sie bieten den Menschen in Städten und Gemeinden die Möglichkeit einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung in der Natur. Sie bieten bezahlbares Grün für jedermann. Der Kleingarten füllt als Naturerlebniswelt eine Lücke im Gefüge hochverdichteter urbaner Räume aus. Aber auch Anwohner, die nicht Mitglied im Kleingärtnerverein sind, profitieren von den positiven Effekten, die von Kleingärten ausgehen: Denn die Gemeinschaft der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner ist Teil unserer Gesellschaft. Sie gärtnert nicht im luftleeren Raum, sondern hat wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität in den Stadtteilen und Wohnquartieren, zu denen Kleingartenanlagen gehören.
Kleingärten sind somit vor allem in Ballungszentren ein unentbehrlicher Bestandteil des Stadtgrüns. Sie fördern die Biodiversität und verbessern das Mikroklima in den Wohnquartieren. Dabei müssen die oftmals finanzschwachen Kommunen nicht einmal Geld für die Pflege dieses Teils des Stadtgrüns in die Hand nehmen. Im Gegenteil: Die Kleingärtnervereine ersparen den Kommunen nicht nur die Aufwendungen für die Pflege öffentlichen Grüns, sondern verbessern über die Pacht auch die Einnahmesituation vieler Städte und Gemeinden.
Darüber hinaus prägen viele engagierte Kleingärtnervereine durch verschiedene Projekte auch das soziale Klima in den angrenzenden Wohnquartieren: Umweltbildung für Kinder und Jugendliche, Nachbarschaftstreff, Spielplatz und Naherholungsgebiet für das angrenzende Quartier – hier wird bürgerschaftliches Engagement groß geschrieben. In Zeiten zerfallender sozialer Strukturen leisten viele Kleingärtnervereine einen wertvollen Beitrag dazu, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft zu bändigen und verschiedene Gruppen zu integrieren. Kleingärten sind damit genau die Institutionen, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in urbanen Räumen miteinander verbinden. Sie sind zugleich grüner und sozialer Bestandteil kommunaler Infrastruktur.
Das Ziel verantwortlicher Politik muss daher die regionale bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Kleingartenbestands sein. Gerade gute Kommunalpolitik mit Weitblick wird sich der bewährten und erprobten Institution Kleingarten nicht verschließen können: Wer über „soziale Städte“, über „mehr Grün in Städten und Gemeinden“ spricht, der kommt an Kleingärten nicht vorbei.
Das Thema „Stadtgrün“ erlebt derzeit auf politischer Ebene eine Renaissance. Nachhaltige Stadtentwicklung ist seit mehr als 15 Jahren fester Bestandteil des Planungsrechts in Deutschland und schafft so eine Verbindung der Aufgabenfelder Ökonomie, Ökologie und Soziales. Als lokale Akteure werden sich Kleingärtnerinnen und Kleingärtner weiterhin in die Zukunftsgestaltung der Städte und Gemeinden einbringen und mit ihren Gärten zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen.
Für eine intakte Umwelt sollte jeder Mitbürger, jede Mitbürgerin im unmittelbaren Umfeld der eigenen Verantwortung übernehmen. Deshalb setzt der BDG auf eine noch stärkere ökologische Aufwertung von Kleingärten und naturnahes Gärtnern. Das bedeutet im Wesentlichen: Wiederherstellung, Erhaltung und Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, konsequenter Verzicht auf chemisch-synthetische Düngemittel, Erzeugung qualitativ hochwertiger, gesunder Nahrungspflanzen für den eigenen Gebrauch, Förderung und Mehrung der Artenvielfalt der Pflanzen- und Tierwelt im Garten, Ablehnung genmanipulierter Pflanzen, Mikroorganismen sowie derer Erzeugnisse, verstärkter Anbau alter Kulturpflanzenarten und -sorten, Verwendung schadstoffarmer Rohstoffe und Wiederherstellung eines weitgehend geschlossenen Stoffkreislaufs sowie Vermeidung von Gewässer- und Bodenbelastungen. Kleingärtner bekennen sich zu Umwelt- und Naturschutz sowie zur Landschaftspflege.
Der BDG ist somit der natürliche Verbündete aller Verbände und Organisationen, die für mehr Ökologie und Natur in den Städten und Gemeinden eintreten. Hier müssen wir noch stärker den Schulterschluss suchen. Nur dann werden wir auch in den prosperierenden Ballungszentren dauerhaft wohnortnahe Kleingartenareale gegen andere Nutzungszwecke verteidigen können.
Gleichzeitig gilt es, den Kontakt zu den Stadtplanern zu intensivieren. Viel zu oft spielen Kleingärten vor allem im Wirken junger Landschafts- und Raumplaner keine Rolle. Dies geschieht weniger aus Ablehnung, denn vielmehr aus Unkenntnis. Hier gegenzusteuern wird eine wichtige Aufgabe der kommenden Jahre sein, die der BDG nur gemeinsam mit seinen Mitgliedsverbänden leisten kann. Erst wenn wir uns – heute und auch zukünftig – mit allen Akteuren der Stadtplanung, vom Studierenden bis zur kommunalen Entscheidungsträgerin, noch besser vernetzen, werden wir den Kleingärten zu der positiven Wahrnehmung verhelfen können, die sie verdient haben. Denn Kleingärten sind notwendige Infrastruktur und weicher Standortfaktor. Sie tragen maßgeblich zur Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden bei.
Der Bestand an Kleingärten muss bedarfsgerecht – analog zum demografischen Wandel – entwickelt werden. Dabei gilt nicht mehr die Maxime Erhalt um jeden Preis Wir wollen, dass Kleingärten auch in Zukunft für alle Schichten der Bevölkerung bezahlbar bleiben. Gemeinsam mit unseren Verbündeten, treten wir für ausreichend Grün in der Stadt – und damit für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Kleingärten ein. Moderne Städtebaupolitik darf Infrastruktur nicht nur in Beton, Glas und Asphalt erkennen. Moderne Städtebaupolitik denkt die bedarfsdeckende Weiterentwicklung des Stadtgrüns immer mit. Damit verbinden wir konkrete Erwartungen an die politischen Entscheidungsträger auf Bundes- und Länderebene.
Bei großen Infrastrukturprogrammen, die den Städtebau betreffen, muss zukünftig die Weiterentwicklung von Grün- und Kleingartenflächen immer explizit als mögliche Maßnahme genannt werden. Nur so werden wir den Bestand der Kleingärten bedarfsgerecht weiterentwickeln können.
Gerade in Gebieten mit steigenden Bevölkerungszahlen bietet die Neuformulierung von Ausgleichs- und Kompensationsregelungen Chancen für den gesamten Bereich der Stadtentwicklung: Wer dauerhaft ökologisch aufgewertete Kleingartenanlagen als Kompensationsflächen anerkennt, der bringt vieles ins Gleichgewicht: Die Ansprüche von Mensch, Natur und Stadtplanung an urbane Räume können so miteinander in Einklang gebracht werden und zur Harmonie des Stadtgefüges beitragen. Nur wenn diese Forderungen erfüllt werden, können Kleingärten auch in Zukunft ihre Funktion als grüne und soziale Infrastruktur erfolgreich auszufüllen.
Kleingärten leisten einen wichtigen Beitrag sowohl für eine gesunde Umwelt, als auch für ein lebendiges und lebenswertes Gemeinwesen. Die Erhaltung und Entwicklung von Kleingartenflächen in urbanen Räumen sowie eine behutsame Anpassung unter Einbindung aller Akteure dort, wo sich Bedürfnisse ändern, sind deshalb die Richtschnur für die Arbeit des Bundesverbands Deutscher Gartenfreunde.
Die Delegiertenversammlung des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e. V.
Rostock, den 05. September 2015