Forschen Sie mit: Pflanzenvielfalt in Deutschlands Kleingärten

Zum Hintergrund
„In den letzten 20 Jahren ist das Forschungsinteresse an Gärten zwar deutlich gestiegen, doch eine flächendeckende Erhebung fehlt bislang – nicht nur in Deutschland“, erklärt Projektleiter Dr. Ingmar Staude vom Institut für Biologie der Universität Leipzig. GartenDiv wolle diese Lücke schließen.
Fragebögen mit gartenspezifischer ID
Für dieses Citizen-Science-Projekt (https://floraincognita.de/gartendiv/) wurde in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und der Technischen Universität Ilmenau die bereits weit verbreitete App Flora Incognita App (www.floraincognita.de) zur automatischen Pflanzenerkennung spezifisch für das Projekt angepasst. Die App erfasst die pflanzliche Vielfalt des Gartens, egal ob Haus,- Klein-, Dachgarten oder Balkon, indem die Gärtner:innen im Laufe des Jahres die Pflanzen in ihrem Garten fotografieren sowie Fragen zu ihren Beobachtungen beantworten.
Zu Beginn gibt es einen Fragebogen, der grundlegende Informationen zum Garten erfasst, etwa die Größe. Dabei wird auch eine gartenspezifische ID generiert, die es den Wissenschaftler:innen ermöglicht, im weiteren Verlauf des Projekts zusätzliche Fragebögen und Beobachtungen eindeutig einem bestimmten Garten zuzuordnen. Ergänzend gibt es einen kurzen, beobachtungsspezifischen Fragebogen, der bei jeder Pflanzenmeldung ausgefüllt wird, zum Beispiel zur Häufigkeit: Wie viele Individuen dieser Art wachsen im Garten? „Unser Ziel ist es, langfristig das größte Citizen-Science-Projekt zur Gartenbiodiversität im deutschsprachigen Raum aufzubauen. Damit wollen wir nicht nur wissenschaftliche Grundlagen schaffen, sondern auch ein gesellschaftliches Signal senden: Gärten zählen. Und jede:r kann etwas beitragen“, betont Staude.
Flächendeckende Erhebung mit Tausenden Teilnehmenden als Ziel
Nach der Pilotphase sollen zukünftig schrittweise weitere Elemente wie thematische Kampagnen oder weitere Fragebögen ergänzt werden, um eine flächendeckende Erhebung mit Tausenden Teilnehmenden aus allen Bundesländern zu erreichen. „Unser Ziel ist es, GartenDiv über mehrere Jahre fortzuführen, um auch zeitliche Entwicklungen der Pflanzenvielfalt in Gärten beobachten zu können“, sagt der Biologe. Ziel des Citizen-Science-Projektes sei es zudem, das Potenzial von Gärten für den Schutz etwa bedrohter Insektenarten wie Wildbienen aufzuzeigen. Es könne aber nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, sondern auch die Umweltbildung fördern, indem es Menschen zur mehr Biodiversität in ihren Gärten motiviert, eine aktive Gemeinschaft schafft und das ökologische Potenzial von Gärten sichtbar macht. Zunächst sollen bestehende Nutzer:innen der App Flora Incognita gezielt auf das Projekt aufmerksam gemacht und motiviert werden, ihren Garten mit seiner Pflanzenvielfalt bewusster in den Blick zu nehmen.
Dies ist der Schwerpunkt der Untersuchungen des Instituts für Bienenschutz des Julius-Kühn-Instituts. „Mit ihrer hohen Vielfalt an Zierpflanzen, Nutzpflanzen und Kleinstrukturen sind Gärten potenzielle Hotspots für Wildbienen und andere Tiergruppen. Insbesondere Wildbienen benötigen ein vielfältiges Angebot an Blütenpflanzen, da viele Arten auf ganz bestimmte Pflanzenarten als Pollenquelle spezialisiert sind“, sagt Wildbienenexperte Henri Greil vom Institut für Bienenschutz.

Gärten sind überraschend artenreich
„Kleingärten und Kleingartenanlagen sind nicht selten wahre Hotspots der Biodiversität. Viele gute Beispiele in ganz Deutschland zeigen, wie der Anbau von Obst und Gemüse und der Artenschutz bestens Hand in Hand gehen, dank der Vielzahl engagierter Kleingärtnerinnen und Kleingärtner und Funktionsträger,“ unterstreicht der Bundesfachberater des BKD, Thomas Kleinworth. Lange Zeit galten Gärten als künstlich, modern und daher als ökologisch uninteressant, sowohl im Naturschutz als auch in der Forschung. In Deutschland werden zum Beispiel Kleingärten in der Bundeskompensationsverordnung noch ähnlich eingestuft wie Rasensportplätze. Doch dieses Bild beginne sich zu wandeln, so auch Staude. Zahlreiche aktuelle Studien zeigten, dass Gärten überraschend artenreich sein können, besonders bei Insekten wie Wildbienen, aber auch bei Pflanzen. In Einzelfällen wurden auf nur 900 Quadratmetern bis zu 30 Prozent der heimischen Pflanzenarten gefunden, darunter sogar Arten, die in Deutschland als verschollen galten. Solche Beispiele hätten das wissenschaftliche Interesse an dem Thema stark befeuert. Zudem setzt sich Staude zufolge im Naturschutz langsam ein Umdenken durch: Die bisherige Trennung von Natur und vom Menschen gemachten Räumen verliere an Bedeutung. In einer Welt voller neuer, menschengemachter Ökosysteme werde immer deutlicher: Auch Gärten sind Natur, und sie können Teil der Lösung für das Biodiversitätsproblem sein.
AnsprechpartnerInnen:
Universität Leipzig
Institut für Biologie
Dr. Ingmar Staude
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Bienenschutz
Henri Greil, Projektleiter BeesUp-Projekt, Ansprechpartner: Felix Bossong
Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands e. V. (BKD)
Eva Foos, wissenschaftliche Mitarbeiterin